29.01.2015

Popcorn Time / „Streaming“-Abmahnungen für (Nicht-) Cineasten

Das Programm Popcorn Time beschäftigte in den vergangenen Wochen zunächst nur die Interessierten, kurz darauf sogar die Mainstream-Medien. Erst lobte man das überragende Film-Streaming-Angebot, nun sehen sich Nutzer mit den Folgen ihrer zweifelhaften Filmleidenschaft konfrontiert.

In den vergangenen Tagen machte die Schreckensmeldung die Runde, es drohe eine vermeintlich neue Abmahnwelle, die die Nutzer der Software Popcorn Time (und cuevana.tv) erfassen könne.

Im Folgenden sei der Versuch unternommen, einige diesbezügliche Unklarheiten zu beseitigen.

Popcorn Time ist ein Programm, das es ermöglicht, aktuelle Filme herunterzuladen und anzusehen. Die Benutzeroberfläche besteht fast ausschließlich aus einer Bilderansicht, in der die Filmplakate der angebotenen Filme abgebildet sind. Durch anklicken eines Bildes kann der jeweilige Film abgespielt werden. Alternativ können über die implementierte Suchfunktion Filme gefunden werden oder man klickt sich einfach durch verschiedene Genres.

Unter der ansprechenden Oberfläche arbeitet ein Bittorrent-Client, der dem Benutzer all die Unannehmlichkeiten abnimmt, mit denen man sich sonst als Teilnehmer dieses Netzwerkes konfrontiert sah. Es muss weder mühselig eine .torrent-Datei gesucht, gefunden und heruntergeladen werden, noch gibt es verwirrende Einstellungen oder lästige Fragen nach Downloadverzeichnissen und Upload-Geschwindigkeiten etc. .

Sehr komfortabel – und das Beste: Alles kostet Nichts.

Verschiedene Artikel von Online-Experten und Rechtsanwaltskollegen erschienen in On- und Offline- Medien und stellten einige Dinge (un-)klar. Dort ist beispielsweise nachzulesen, wann das Streaming von Videos legal bzw. illegal sei, wie man Streaming definiere, und dass die Bundesregierung bereits in einer – äußerst umstrittenen - Stellungnahme  im Januar 2014 bestätigt habe, sie halte das „reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung“.

Man sollte meinen, alle Unklarheiten seien von der geballten Expertenkompetenz ausgeräumt worden – doch weit gefehlt.

Nachdem sich in jüngster Vergangenheit schon zigtausende redliche RedTube-Pornobenutzer über die ihnen zugesandten Schreiben öffentlich erregen durften, wird nun vor der angeblich drohenden Abmahnwelle mit in Teilen fehlerhafter Berichterstattung vorsichtshalber die nächste fragwürdige Empörungswelle aufgetürmt. 

Streaming vs. Download

Auch wenn der Begriff „Streaming“ immer wieder für reißerische Schlagzeilen herhalten muss - es handelt sich bei der vorliegend genutzten Übertragungstechnik nicht um Streaming. Streaming bedeutet, dass eine Echtzeitwiedergabe ermöglicht wird, indem die (Medien-)Daten sukzessive übertragen werden, ohne dass dabei die gesamte Datei vollständig heruntergeladen wird. Die einzelnen Datenpakete werden nur flüchtig zwischengespeichert, ggf. dekodiert und wiedergegeben, die Daten nicht (dauerhaft) auf dem Benutzerrechner gespeichert.

Anders verhält es sich bei Popcorn Time.

Die Filme werden heruntergeladen, nur startet die Wiedergabe bereits, wenn hinreichend viele Dateifragmente beim Empfänger angelangt sind. Nicht ungewöhnlich, geschieht dies doch mittlerweile bei so ziemlich allen Mediendateien, so auch bei größeren Text-Dokumenten, Bildern im Browser oder auch Computerspielen auf Spielekonsolen etc.. Dass eine Differenzierung zwischen Streaming und (u.a. progressive) Download heutzutage nicht mehr en vogue scheint, mag nicht zuletzt den Interessen der jeweiligen Verwender dieser Technologien geschuldet sein.

YouTube beispielsweise war seit jeher kaum etwas anderes als ein Downloadportal. Flash-Video-Dateien lagen auf einem Server und wurden von den Nutzern heruntergeladen. Streaming? Fehlanzeige. Das mögen allenfalls  Google-Justiziare und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz anders beurteilen. Spätestens wenn sich YouTube irgendwann dazu bereiterklären sollte, (Gema-)Lizenzgebühren zu zahlen, wäre eine differenzierte Einschätzung jedoch durchaus von hoher Relevanz (Streaming- vs. Downloadlizenz). Auch Nutzer ähnlicher Angebote und deren Rechtsanwälte bevorzugen die oberflächliche Einordnung eines jeden Download-Dienstes als Streaming-Angebot – eine Haftung der Nutzer scheint dann ja nahezu undenkbar (frei nach BMJV).

Als Zwischenergebnis sollte also richtiggestellt und festgehalten werden: Nicht überall wo Streaming draufsteht, ist auch Streaming drin.

Popcorn Time - Filesharing

Über Popcorn Time werden Videodateien  zum Herunterladen angeboten und darüber hinaus findet – im Gegensatz zu den meisten vermeintlichen Streaming-Portalen – wie innerhalb des Bittorrent-Netzwerkes üblich, auch ein Upload statt. Das heißt, Nutzer laden sich die Filme von anderen Nutzern herunter und machen diese wiederum anderen Nutzern verfügbar – klassisches Filesharing eben. Dies und auch die Rechtswidrigkeit des Angebotes sei für die Programmnutzer keinesfalls ersichtlich, klingt es durch die Medien, insbesondere eine Vorwarnung hinsichtlich der Funktionsweise erfolge nicht, ist u. a. auf der Internetseite eines medienaffinen Kollegen zu lesen. Das ist nicht ganz richtig. Um das Programm  nutzen zu können, muss es zunächst installiert werden, und während des Installationsvorgangs bzw. beim ersten Programmstart erscheint ein nicht besonders langer Text in gut lesbarer Schriftgröße, den man durch das Klicken eines Buttons mit der Aufschrift „Ich verstehe und möchte Popcorn Time benutzen“ absegnen muss. Erst danach ist die Software  verwendbar.

Benutzer der Software Popcorn Time werden also sehr wohl deutlich darauf hingewiesen, dass sie an einem Peer2Peer- Netzwerk teilnehmen und die Filme hoch- und runtergeladen werden. Aufhorchen lassen sollten zudem die unmissverständlichen Hinweise, dass die Hersteller (?) von Popcorn Time keine Verantwortung für irgendetwas übernehmen möchten, und dass die Nutzung der Software womöglich in einigen Ländern illegal ist. Wer sich nicht bereits an dieser Stelle sicher ist, dass es sich bei diesem kostenlosen, umfangreichen Angebot aktueller Filmtitel um ein Rechtswidriges handelt, der hat auf jeden Fall genug Anlass, fachkundigen Rat einzuholen.

Rechtliche Einschätzung


Popcorn Time – Nutzer sind Bittorrent-Netzwerk-Teilnehmer, die aktuelle Filme widerrechtlich „sharen“. Die rechtliche Einschätzung gestaltet sich dementsprechend einfach:

Nutzer von Popcorn Time begehen neben der unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung (Upload) nach § 19a UrhG durch das Speichern, Kopieren und Herunterladen der Filmdateien ebenso unerlaubte Vervielfältigungen nach § 16 UrhG.

Die Strafbarkeit dieser unerlaubten Verwertungshandlungen folgt aus §§ 106 ff. UrhG.

Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 2. Hs. UrhG besteht gegenüber dem Popcorn Time - Benutzer ein Unterlassungsanspruch der jeweils betroffenen Rechteinhaber, zudem ggf. nach § 97a Abs. 3 UrhG ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten, jedenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG.

Abmahnungen wegen der Nutzung der Software zum „Anschauen“ eines Films sind vor diesem Hintergrund mutmaßlich berechtigt. Ein Vergleich mit den „Red-Tube“-Abmahnungen geht fehl, da es um technisch unterschiedliche Sachverhalte geht.

Erstveröffentlichung: 23.05.2014.

Von: Rechtsanwalt Malte Rheingans

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