15.08.2013

OLG Frankfurt a.M. schafft weitere Klarheit zum Streitgegenstand bei wettbewerbsrechtlichen Klagen

Ein gerichtliches Verbot in einem Unterlassungsverfahren darf sich nur auf die vom Kläger gerügte Verletzungsform stützen, wie das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden hat. Der Beschluss vom 04.04.2013 (Az.: 6 W 85/12) sorgt damit für weitere Klarheit zu dem Begriff des Streitgegenstandes.

Das OLG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 04.04.2013, Az.: 6 W 85/12 – „Zählrate“) hat für die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage entschieden, dass das Gericht ein Verbot nur dann auf eine konkrete Irreführungsgefahr stützen kann, wenn der Kläger sich auf ebendiese Irreführungsgefahr mit dem Klageantrag auch berufen hat. Dies gilt auch dann, wenn der historische Lebenssachverhalt einen auf weitere Irreführungsumstände gerichteten Unterlassungsantrag rechtfertigen würde.

Die aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. bringt weitere Klarheit wie im Einzelfall der Streitgegenstand zu bestimmen ist, nachdem der BGH in der „Biomineralwasser“- Entscheidung (Urteil vom 13.09.2013, Az.: I ZR 230/11) den Begriff des Streitgegenstands weit gefasst hat.

In dem konkreten Fall hatte die Beklagte Messgeräte zur Materialanalyse mit der Aussage „Mit seinem exklusiven, hochauflösenden A-Detektor erreicht das B. einen bis zu zehn Mal schnelleren Datendurchsatz als andere Handheld-Spektrometer“ beworben. Die Klägerin griff die Aussage unter zwei Gesichtspunkten an. Erstens sei der Begriff „Datendurchsatz“ irreführend, da er im Verkehr als Ergebnisdarstellung verstanden werde. Zweitens sei das Bewerben eines zehn mal höheren Datendurchsatzes irreführend, weil dieser tatsächlich nur gegenüber Geräten der Vorgeneration erzielt werden könne, jedoch nicht gegenüber Geräten, die ebenfalls mit den neueren A-Detektoren ausgestattet sind. Das OLG Frankfurt a.M. sah hierin keine Irreführung.

Erst nach Abgabe der Unterwerfungserklärung durch die Beklagte und Erlass der Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO stützte die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren zusätzlich darauf, dass die Beklagte mit dem Adjektiv „exklusiv“ für ihr Produkt irreführend eine Spitzenstellung beanspruche und zwar auch gegenüber Geräten der neueren Generation. Das OLG Frankfurt a.M. sah allein mit Bezug auf den zuletzt genannten Aspekt, nämlich in dem Adjektiv „exklusiv“ und dem Beanspruchen einer Spitzenstellung einen Anknüpfungspunkt für eine Irreführung. Da die Klägerin diesen Aspekt jedoch erst nach Erledigung der Hauptsache gerügt habe, sei die Klage bis zur Erledigung unbegründet gewesen.

Weiter Streitgegenstandsbegriff des BGH


Seinen Beschluss stützte das Gericht auf den vom BGH in der Entscheidung „Biomineralwasser“ weit definierten Streitgegenstandsbegriff. Hiernach werde der Streitgegenstand durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht. Dies gelte unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht und ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können. Sei, so urteilte der BGH, das Klagebegehren nicht auf das Verbot einer bestimmten Verletzungsform beschränkt, sondern richte es sich vielmehr gegen die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung, deren Verbot losgelöst von dem konkreten wettbewerblichen Umfeld begehrt werde, so umfasse der Streitgegenstand auch die Umstände des Wettbewerbsauftritts und seine gesamte Wahrnehmung. Rasch Rechtsanwälte berichteten hierzu mit dem Beitrag "BGH: „Biomineralwasser“ – gemilderte Auswirkungen der TÜV-Entscheidung für das Wettbewerbsrecht" .

Begrenzung des Streitgegenstands durch das Klagebegehren

Zutreffend stellte das OLG Frankfurt a.M.in seiner aktuellen Entscheidung klar, dass das Gericht ein Verbot wegen der sogenannten Dispositionsmaxime (§ 128 ZPO) nur auf solche Umstände stützen kann, die vom Kläger beanstandet und zur Begründung des Unterlassungsantrags vorgebracht wurden. Nach der Dispositionsmaxime verfügen die Parteien fei über den Streitgegenstand und den Gang des Verfahrens im Rahmen des Parteibetriebs. Nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. verbiete die Dispositionsmaxime eine Berücksichtigung von nicht vorgetragenen Verletzungstatbeständen. Auch in Fällen, wenn diese offenkundig, jedoch nicht zur Begründung des Verbotsantrags vom Kläger angeführt worden seien. Die Entscheidung macht deutlich, dass maßgeblich für die Reichweite des Streitgegenstands neben dem historischen Lebenssachverhalt einschränkend weiterhin das klägerische Begehren und dessen tatsächliche Begründung ist.

Umgekehrt hat in einem jüngst vom OLG Celle (Urteil vom 21.03.2013, Az.: 13 U 134/12) entschiedenen Fall das Berufungsgericht trotz des in erster Instanz beschränkt formulierten Unterlassungsantrags ein darüber hinausgehendes klägerisches Begehren berücksichtigt. Der Kläger hatte in erster Instanz das Unterlassen einer Werbemaßnahme „insbesondere mit der blickfangmäßigen Herausstellung eines Gesamtpreises“ auf dem streitgegenständlichen Werbeplakat beantragt. In der Berufung formulierte der Kläger den Klageantrag um auf Unterlassung, „insbesondere mit der blickfangmäßigen Herausstellung eines Gesamt-, End- oder Eckpreises“ und stellte klar, dass er das Werbeplakat auch aus den weiteren genannten Gründen als wettbewerbswidrig beanstande. Diese Beanstandungen hatte der Kläger allerdings auch bereits erstinstanzlich zur Begründung seines zunächst enger gefassten Unterlassungsantrags vorgetragen. Daher sah das OLG Celle in der Umformulierung des Unterlassungsantrags in der Berufungsinstanz keine Klagänderung, sondern lediglich eine sprachliche Klarstellung.

Folgefragen bleiben offen: Grundsätze der Teilklage anwendbar?


Wie weit der Streitgegenstand reicht ist maßgeblich für die Rechtshängigkeit und Rechtskraft. Es stellt sich die Frage nach deren Umfang, wenn ein Unterlassungsantrag nicht auf sämtliche Aspekte gestützt wird, die – nach dem zugrunde liegenden historischen Lebenssachverhalt - unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten hätten beanstandet werden können. Können diese Aspekte mit einer späteren Klage noch gerügt werden? Gegenstand zukünftiger gerichtlicher Entscheidungen dürfte insofern sein, ob mit Bezug auf den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt bei Unterlassungsklagen eine der Teilklage vergleichbare bzw. vergleichbar zu behandelnde Situation vorliegt (s. hierzu Schwippert, WRP 2013, S. 135 ff.; vgl. auch Teplitzki, GRUR 2013, S. 401, 409).

Von: Dr. Jutta Hazay

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