BGH: „Biomineralwasser“ – gemilderte Auswirkungen der TÜV-Entscheidung für das Wettbewerbsrecht
Der Streitgegenstand einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage kann als einheitliche Verletzungshandlung mehrere Rechtsverletzungen umfassen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Urteil zum „Biomineralwasser“ vom 13.09.2012 (Az.: I ZR 230/11) entschieden und „Entwarnung“ zu möglichen praktischen Folgen aus der TÜV-Entscheidung (Az.: I ZR 108/09) gegeben. Die Bezeichnung eines natürlichen Mineralwassers als „Biomineralwasser“ ist zudem keine irreführende Werbung.
Nach der „Biomineralwasser“-Entscheidung des BGH liegt dann, wenn bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsbegehren mehrere Unlauterkeitsumstände gerügt werden, gleichwohl nur ein Streitgegenstand vor. Die gesamten Umstände einer Verletzungshandlung, z.B. eines Werbeauftritts, stellen einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar. Die Folge ist, dass das Gericht zu bestimmen hat, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot zu stützen ist (Urteil vom 13.09.2012, Az.: I ZR 230/11).
Mit dieser wettbewerbsrechtlichen Entscheidung hat der BGH weitere „Entwarnung“ hinsichtlich der z.T. befürchteten praktischen Folgen der TÜV-Entscheidung gegeben. Die in seinem Hinweisbeschluss TÜV I (Az.: I ZR 108/09) für unzulässig erklärte alternative Klagehäufung ist zwar weiterhin unzulässig. Doch hat der BGH mittlerweile sowohl im Kennzeichenrecht als auch nunmehr im Wettbewerbsrecht klar gestellt, dass der Streitgegenstandsbegriff weit auszulegen ist, eine Klagehäufung also in vielen Fällen nicht vorliegt bzw. nicht erforderlich ist. Denn es ist, auch wenn eine Verletzungshandlung zugleich die Voraussetzungen mehrerer Verbotsnormen erfüllt, nur ein Streitgegenstand gegeben.
In der TÜV-Entscheidung noch hatte der BGH anklingen lassen, dass man durchaus auch weiterhin einem engen Streitgegenstandsbegriff zugeneigt sein könnte (s. Tz. 3 und 4 der Entscheidung), ohne hierüber jedoch in der Sache zu entscheiden. In der Folge dagegen legte das Gericht in einer markenrechtlichen Entscheidung einen weiten Streitgegenstandsbegriff zugrunde und stellte klar: wenn aus einer Marke geklagt wird, umfasst der Streitgegenstand alle drei Erscheinungsformen der Markenverletzung – Schutz bei Doppelidentität, Verwechslungsgefahr sowie Bekanntheitsschutz (Az.: I ZR 75/10 – Oscar). Auch für das Wettbewerbsrecht bestätigte das Gericht diese Sichtweise bereits (Az: I ZR 157/10 – Branchenbuch Berg; vgl. Az: I ZR 34/09 – Leistungspakete im Preisvergleich).
In der „Biomineralwasser“-Entscheidung bestätigt der BGH nun noch einmal ausdrücklich für Unterlassungsanträge im Wettbewerbsrecht die Aufgabe der früheren Rechtsprechung, wonach die Verwirklichung verschiedener Verbotsnormen oder unterschiedlicher Erscheinungsformen derselben Verbotsnorm verschiedene Streitgegenstände darstellten.
In dem Fall hatte die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren auf drei Gesichtspunkte gestützt. Sie sah in der Bezeichnung eines natürlichen Mineralwassers als „Biomineralwasser“ erstens eine unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, zweitens eine Irreführung, da der Eindruck einer amtlichen Zertifizierung erweckt werde und drittens einen Verstoß gegen die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung. Der BGH sah in dem Unterlassungsantrag keine Klagehäufung.
Das Gericht bestätigte in der Sache die Entscheidung des OLG Nürnberg, dass die Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ keine irreführende Werbung darstellt, sofern sich das Mineralwasser von anderen natürlichen Mineralwassern dadurch abhebt, dass es die gesetzlichen Grenzwerte für Rückstände und Schadstoffe deutlich unterschreitet. Auch führe der Umstand, dass es eine gesetzliche Regelung für die Verwendung der Bezeichnung „Bio“ nur bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen gibt, nicht dazu, dass diese Bezeichnung für andere Erzeugnisse nicht verwendet werden darf. Schließlich stehe die nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung bestehende Kennzeichnungspflicht als „natürliches Mineralwasser“ einer zusätzlichen Bezeichnung als „Biomineralwasser“ nicht entgegen.
Hinsichtlich einer Klagehäufung hielt der BGH ergänzend fest:
Es bleibt dem Kläger weiterhin unbelassen, die einzelnen gerügten Aspekte einer Verletzungshandlung (eines Streitgegenstands) im Wege kumulativer Klagehäufung geltend zu machen, sodass das Gericht die Verletzungshandlung unter jedem der geltend gemachten Gesichtspunkte zu prüfen hat; mit entsprechender Kostenfolge wenn nicht alle Klageanträge Erfolg haben.
Bei einem parallelen Vorgehen aus verschiedenen Schutzrechten oder aus Urheberrecht und Wettbewerbsrecht dagegen stellt jede der verschiedenen Begründungen des Unterlassungsbegehrens weiterhin einen eigenen Streitgegenstand mit der notwendigen Folge einer Klagehäufung dar.
Von: Dr. Jutta Hazay
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