18.02.2014

LG Hamburg: Google darf Sex-Bilder des Motorsportmanagers Mosley nicht mehr in Bildersuche zeigen

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil 324 O 264/11 vom 24.01.2014 das US-Amerikanische Unternehmen Google verurteilt, bestimmte heimlich angefertigte Fotos, die Mosley beim Sex mit fünf Prostituierten zeigen, nicht mehr in der Google-Bildersuche anzuzeigen. Mosley, ehemaliger Manager des Motorsport-Weltverbandes FIA, geht seit Jahren weltweit gegen die Veröffentlichung der Bilder vor. Die Bilder wurden immer wieder auf Internetseiten hochgeladen und waren über die Google-Bildersuche auffindbar. In einer ausführlichen und sorgfältig begründeten Entscheidung führt die Pressekammer des Landgerichts Hamburg aus, weshalb Google Mosley nicht auf ein „Notice-and-Takedown“-Verfahren verweisen darf.

Die Bildersuche funktioniert so, dass ein Programm (sog. Robot) in regelmäßigen Intervallen Internetseiten nach Bildern durchsucht (sog. Crawling) und die gefundenen Ergebnisse in ein anderes Format umwandelt. Bilder werden dabei klein gerechnet und als Vorschaubilder auf eigenen Servern der Beklagten gespeichert (so genannter Thumbnail-Cache). Die Thumbnails enthalten zugleich einen Link auf die Seite, auf der das jeweilige Bild abrufbar ist.

Argumentation der Parteien

Der Kläger hatte vorgetragen, es sei schon seit Jahren Praxis der Beklagten, dass diese bestimmte Inhalte wie kinderpornographische Bilder aus ihren Suchergebnissen herausfiltere. Der Kläger benannte mehrere im Handel erhältliche Softwareprodukte, die zuverlässig Bilder erkennen könnten. Google habe an drei Stellen des Suchprozesses die Möglichkeit zu einer Filterung: beim regelmäßigen automatisierten Durchsuchen (Crawling) von Internetseiten, bei der anschließenden Verschlagwortung (Indexierung) der Internetseiten, und durch ein Durchsuchen des aufgrund dieser Vorgänge erstellten Suchindexes und des Thumbnail-Cache.

Die Beklagte hatte sich demgegenüber auf die Haftungsprivilegierungen der §§ 7ff. TMG berufen, die zumindest analog anzuwenden seien. Sofern sie bereits jetzt bestimmte Inhalte entferne, geschehe das freiwillig aus ethischen Gründen und erfordere eine manuelle Nachkontrolle. Für die vom Kläger geforderten Maßnahmen müsse die Beklagte weitere Rechner anschaffen. Der Kläger verlange „vorbeugende Maßnahmen“, eine Verpflichtung zu solchen Maßnahmen bestehe aber nach der InfoSoc-Richtlinie und der Enforcement-Richtlinie nur hinsichtlich Rechte des geistigen Eigentums.

Begründung des Gerichts

Das Gericht bejahte seine internationale Zuständigkeit aus § 32 ZPO für den Streit zwischen dem außerhalb Deutschlands lebenden Briten Mosley und dem US-amerikanischen Unternehmen. Der erforderliche Inlandsbezug i.S.d. „New York Times“-Entscheidung des BGH liege vor.  Zu Beginn hätten Medien über angeblichen "Nazi-Sex" berichtet, auch wenn unstreitig sei, dass ein solcher historischer Bezug sich dem Bildmaterial nicht entnehmen lasse. Daher liege es nahe, dass die Berichterstattung auch von deutschen Internetnutzern verfolgt werde. Auch wenn die Bilder auf fremdsprachigen Seiten veröffentlicht würden, seien sie aus sich heraus verständlich.

Google hafte als Störer gem. §§ 823 II, 1004 I 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG auf Unterlassung. Die beanstandeten Bilder verletzten den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Ein ausnahmsweise überwiegendes Berichterstattungsinteresse liege nicht vor; die Bilder hätten keinerlei Nachrichtenwert.

Sofern man von eigenen Inhalten ausgehe, greife die Privilegierung des § 7 I TMG nicht. Sofern man von fremden Inhalten ausgehe, statuiere die Haftungsprivilegierung in § 7 II 1 TMG lediglich das Verbot allgemeiner Prüfpflichten. Nicht ausgeschlossen seien aber Prüfpflichten „in spezifischen Fällen“.

Die Beklagte hafte allerdings nur als Störer, da sie im Ergebnis nur Inhalte Dritter wiedergebe, auch wenn sie diese zuvor indexiere und sogar auf eigenen Servern speichere. Denn diese Inhalte stellten sich aus Sicht des Nutzers als Inhalte „des Internets“ dar. Der im Rahmen der Störerhaftung erforderliche willentliche und adäquat-kausale Tatbeitrag liege darin, dass die Beklagte mit der angebotenen Suchfunktion zur Verbreitung von Bildnissen beitrage, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers schwer verletzten.

Unzureichende Kenntnisverschaffung konnte im Prozess geheilt werden

Die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzungen wirke sich vorliegend sowohl auf die Anforderungen an die Inkenntnissetzung der Beklagten von konkreten Rechtsverletzungen als auch auf den Umfang zumutbarer Prüfpflichten aus. So sah das Landgericht Hamburg vorliegend offenbar die vorprozessuale Inkenntnissetzung ursprünglich als nicht konkret genug an, war aber der Ansicht, dass diese durch die mehrfach modifizierte Antragstellung im anhängigen Zivilrechtsstreit sozusagen geheilt werden konnte (Abs. 183).

Der Rechtsverstoß durch den Eingriff in die Intimsphäre des Klägers sei für Google ohne weitere Ermittlungsschritte erkennbar, eine umfangreiche schwierige Abwägung müsse der Suchmaschinenbetreiber nicht treffen.

Bei Google handle es sich zwar nicht um einen von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegten Dienst. Der Dienst sei aber auch nicht rein passiver und technischer Natur. Vielmehr durchsuche er aktiv das Internet, speichere die Bilddateien auf eigenen Servern und verbinde diese mit Suchanfragen von Nutzern. Er schaffe damit eine Verknüpfung zwischen textbasierten Suchanfragen von Nutzern und Bildern. Die Ergebnisse der Suchanfragen seien von der Beklagten und nicht von einem Dritten hergestellt. Die angezeigten Bilder stammten von der Beklagten (aus deren Cache).

Weil die Suchmaschine so programmiert sei, dass sie ein einmal gelöschtes Bild immer wieder in die Bildersuche aufnehme, wenn dieses anschließend auf einer anderen URL gefunden werde, genüge die Beklagte allein mit einer Löschung im Rahmen des von ihr angebotenen eines Notice-and-Takedown-Verfahrens den Prüfpflichten nicht. Vielmehr müsse die Beklagte dafür sorgen, dass die Bilder in ihrem Dienst auch dann gesperrt sind, wenn sie von einer anderen URL aus im Internet verbreitet werden.

Gericht: Die Suchmaschine hat sich nicht konkret dazu geäußert, ob sie schon filtert

Im Rahmen dieser Frage sei die Beklagte ihrer Darlegungslast, welche Arten von Filtern ihr technisch möglich seien, nicht nachgekommen. Insofern obliege ihr eine sekundäre Darlegungslast. Der Kläger habe zunächst seiner Darlegungslast genügt, indem er unter Berufung auf im Handel erhältliche Filter- und Bilderkennungssoftware und ein Privatgutachten vorgetragen habe, dass es möglich sei, die inkriminierten Fotos aus den Suchergebnissen herauszufiltern. Dem Vortrag, dass die Beklagte bereits bei Kinderpornographie und in anderen Bereichen ihre Suchergebnisse erfolgreich von bestimmten Inhalten frei halte, sei die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Sie habe sich nicht dazu geäußert, ob sie eine entsprechende Filtersoftware einsetzte oder dabei sei, eine solche zu entwickeln oder eine vorhandene Software weiter zu entwickeln oder dass sie hierbei an Grenzen gestoßen sei.

Das Gericht verlange auch keine präventive und allgemeine Filterpflicht. Insofern liege keine Situation vergleichbar den „Sabam“-Entscheidungen des EuGH vor. Die Beklagte werde nur verpflichtet, künftige gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern, nachdem hier schon eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingetreten sei.

Anmerkung

Das Verfahren betraf in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall. Zum einen verletzten die beanstandeten Fotos bis auf zwei Ausnahmen die Intimsphäre des Beklagten. Die vorliegenden Rechtsverletzungen konnten wegen der Verletzungen der Intimsphäre unter keinen denkbaren Umständen von berechtigten Interessen gerechtfertigt sein.

Zum zweiten war der Kläger zuvor eigenen Angaben zufolge in rund 200 Verfahren allein in Deutschland, daneben in weiteren Ländern gerichtlich gegen Verbreiter der Fotos vorgegangen. Auch wenn das Gericht recht kurz festhält, dass es dem Verletzten frei steht, neben dem unmittelbaren Verletzer auch den Störer in Anspruch zu nehmen, mag der vorliegende Fall besonders eindringlich gezeigt haben, dass eine Inanspruchnahme von Mittlern wie Suchmaschinen zur Vermeidung gravierender Rechtsverletzungen möglich sein muss. Dass die Bilder nach jahrelangem Vorgehen immer wieder von der Bildersuchmaschine aufgefunden und angezeigt wurden, illustriert eindrucksvoll, dass ein Notice-and-Takedown-Verfahren immer dann wirkungslos bleibt, wenn viele Personen Interesse an einem bestimmten rechtsverletzenden Inhalt haben und dieser kontinuierlich neu hochgeladen bzw. verbreitet wird.

Nach den Grundsätzen der Störerhaftung kann ein Mittler wie bspw. eine Auktionsplattform, eine Suchmaschine oder ein Internetforenbetreiber erst nach Kenntnisverschaffung von einer konkreten Rechtsverletzung und anschließendem Untätigbleiben für weitere gleichartige Rechtsverletzungen haftbar sein. Erst auf Kenntnisverschaffung hin muss er tätig werden.

Bereits die Kenntnisverschaffung birgt oft die Unsicherheit, ob sie konkret und eindeutig genug ist, um eine Handlungspflicht auszulösen. So werden z.B. bei rechtsverletzenden Foreneinträgen hohe Anforderungen an die Mitteilung gestellt. Nach der „Blogspot“-Entscheidung BGH VI ZR 93/10 muss „die Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst [sein], dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden kann“. Der Mittler soll keine eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung vornehmen müssen. In einem weiteren Fall hat das LG Düsseldorf für eine Inkenntnissetzung eines Forenbetreibers von einem rechtswidrigen Wortbeitrag eine „Dokumentation mit Hilfe entsprechender Unterlagen“ gefordert und im anschließenden Prozess das Beweisangebot einer Parteivernehmung nicht genügen lassen (LG Düsseldorf 5 O 141/12). Ist die Kenntnisverschaffung nicht konkret genug und/ oder wird dem Mittler eine unzumutbare tatsächliche oder rechtliche Prüfung aufgebürdet, darf er untätig bleiben.

Bei weniger gravierenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen bleibt es voraussichtlich beim „Notice-and-Takedown“

Vorliegend war nach Auffassung des Gerichts der Rechtsverstoß für die Beklagte spätestens aus dem ersten Klagantrag, welcher die beanstandeten Bilder enthielt, „ohne weitere Ermittlungsschritte erkennbar“ (Abs. 183). Das Gericht hält fest, dass hier von Google aufgrund der keiner Abwägung zugänglichen bzw. in einer Abwägung stets andere Interessen überwiegenden Verletzung der Intimsphäre keine schwierige tatsächliche oder rechtliche Prüfung gefordert werde, um festzustellen, dass die Bilder den Kläger in seinen Rechten verletzten (Abs. 188). Anders mag das Gericht Fälle behandeln, in denen eine Bildberichterstattung sich erst im dem Kontext der begleitenden Textberichterstattung als rechtswidrig darstellt oder „nur“ die Privat- oder Sozialsphäre einer abgebildeten Person beeinträchtigt, so dass eine Interessenabwägung erforderlich ist. In solchen Fällen dürften die Anforderungen an die Beanstandung der Rechtsverletzung durch den Verletzten höher sein. Auch ist zweifelhaft, ob dem Betreiber einer Suchmaschine in solchen Fällen künftig mehr als ein Notice-and-Takedown zugemutet werden wird.

Wie schwer ist der Tatbeitrag der Suchmaschine? Das Landgericht Hamburg folgt mit seiner Begründung, die Beklagte leiste einen aktiven Beitrag zu den Rechtsverletzungen, der Argumentation des BGH in BGH VI ZR 269/12 – „Google Bildersuche“ und der vergleichbaren Argumentation in BGH I ZR 69/08 – „Autocomplete Funktion“. Die Bildersuchmaschine hat jedoch kein gesteigertes Interesse an rechtsverletzenden Inhalten; mit Blick auf die Art der gefundenen Inhalte ist sie neutral. Sie macht sich – anders als bspw. Youtube, das Inhalte katalogisiert und sich umfassende Nutzungsrechte einräumen lässt (LG Hamburg 308 O 27/09; vgl. auch BGH I ZR 166/07) – Inhalte nicht zu eigen. Sie setzt auch keine Anreize für Rechtsverletzungen. Ihr Geschäftsmodell wird so sehr von der Rechtsordnung gebilligt, dass der Bundesgerichtshof in den umstrittenen „Vorschaubilder“-Entscheidungen um das Weiterbestehen der Bildersuchmaschine willen eine dogmatisch stark umstrittene Einwilligung in die von ihr regelmäßig vorgenommenen urheberrechtlichen Nutzungshandlungen angenommen hat.

Mit dem Antrag, Google auch die Verlinkung auf die Ursprungsseiten zu verbieten, konnte sich der Kläger nicht durchsetzen. Vermutlich hat das Gericht den Hinweis erteilt, dass eine Verlinkung nicht von dem Begriff des „Verbreitens“ in § 22 KUG erfasst sei.

Erstaunlicherweise hält sich das Gericht nicht damit auf auszuführen, welche konkreten Filtermaßnahmen Google durchführen muss. Zieht man Entscheidungen aus dem Urheberrecht zum Vergleich hinzu, haben der BGH in „Alone in the Dark“ bspw. das OLG Hamburg in Rapidshare-Entscheidungen verschiedene Filtermöglichkeiten geprüft. Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg hat bspw. mit Blick auf Musikvideos auf Youtube konkrete Prüfpflichten definiert (LG Hamburg 310 O 461/10).

Frage der Darlegungslast hat bereits mehrere Störer-Prozesse entschieden

Bei der Frage, welche Filterungen Google technisch möglich und zumutbar seien, hat das Unternehmen erkennbar den Prozess verloren. Es hat sich nach Ansicht der Richter offenbar zu bedeckt gehalten und nicht einmal mitgeteilt, ob es überhaupt eine Filtersoftware entwickle. Die nun auch vom Gericht gewählte Lösung über die sekundäre Darlegungslast hat bereits zuvor der BGH in I ZR 227/05 – „Namensklau im Internet“ vorgezeichnet. Wie auch aus der Entscheidung OLG Hamburg 5 U 113/07 – „Usenet I“ deutlich wird, kann umgekehrt auch eine zu knappe Darlegung des verletzten Rechteinhabers über seine fehlenden Möglichkeiten, in die internen Betriebsabläufe eines Online-Dienstes Einblick zu erhalten, dazu führen, dass dieser seiner anfänglichen Darlegungslast nach Ansicht des Gerichts nicht hinreichend nachkommt. Der umfassende Vortrag des Klägers über Filtermöglichkeiten gab vorliegend offenbar den Ausschlag.

Ob auch mit Blick auf Medienberichte zu anderen Themen dem Internetgiganten nicht geglaubt wurde, dass er in anderen Bereichen längst filtert – man denke an das Kartellverfahren der EU-Kommission gegen Google wegen Bevorzugung Google-eigener Dienste bei Suchergebnissen oder die angesprochene erfolgreiche Filterung bei Kinderpornographie – ist Spekulation. Auch vor dem Hintergrund heute schon verfügbarer Technologien wie Gesichtserkennungssoftware dürfen Zweifel an Googles Nicht-Können geäußert werden. Ein Unternehmen, das sich seit seiner Gründung 1998 in nur wenigen Jahren vom Startup zum milliardenschweren Internetgiganten entwickelt hat, die Welt kartographiert, Telefone und selbstfahrende Autos entwickelt, die smartesten Entwickler beschäftigt und die Welt täglich mit neuen Innovationen überrascht, ist sicherlich in der Lage, zielgenau ein paar Fotos aus den Suchergebnissen herauszuhalten. Das eigene Können des Unternehmens hat sich hier vermutlich auch indirekt auf das vorliegende Verfahren ausgewirkt.
 

Von: Rechtsanwalt Martin Bolm

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