01.06.2016

Pelhams Teilsieg gegen Kraftwerk

Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen: Sampling kann nicht in jedem Fall verboten werden. Umgekehrt folgt aus dem Urteil aber nicht eine unbegrenzte Remix-Freiheit - eine Analyse von RA Clemens Rasch.

Worum geht es: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts setzt einen vorläufigen Schlusspunkt in einem jahrzehntelangen Rechtsstreit zwischen den Gründern der Musikgruppe „Kraftwerk“ und dem Team um Moses Pelham. Pelham hat im Jahre 1997 dem Titel „Nur mir“ einen Rhythmus-Loop unterlegt, der aus der fortlaufenden Wiederholung von zwei Takten besteht, die dem Titel „Metall auf Metall“ von Kraftwerk entnommen waren. In dem seit 1999 anhängigen Rechtsstreit hatten die Kraftwerk-Gründer vor den Zivilgerichten in allen Instanzen gewonnen, die Verwendung der Musiksequenz wurde verboten. Diese Entscheidung hat nun das Bundesverfassungsgericht gekippt. Die Kunstfreiheit hat in diesem Fall Vorrang vor den Interessen des Tonträgerherstellers.

Das BVerfG wägt die Interessen genauer als der BGH

Im Ausgangspunkt ist zu begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht eine individuelle Abwägung der verschiedenen Interessen vornimmt. Der Bundesgerichtshof hatte in seinen Entscheidungen darauf abgestellt, dass die Kunstfreiheit jedenfalls dann zurückzustehen habe, wenn das Sample von dem Verwender nachproduziert werden könnte. Der BGH hat damit versäumt, Kriterien für eine inhaltliche Abwägung der Grundrechtsinteressen zu entwickeln. Insoweit bringt das Bundesverfassungsgericht die rechtliche Prüfung besser auf den Punkt. Das Ergebnis vermag jedoch nicht zu überzeugen.

Ein künstlerischer Dialog ist erforderlich - reine Übernahme bleibt verboten

Das Bundesverfassungsgericht prüft zum einen die Kunstqualität der im Wege des Sampling erstellten Musikaufnahme. Dabei hebt es die genrespezifische Bedeutung des Sampling für den Hip-Hop hervor. Durch den Schaffensprozess trete der Künstler in einen künstlerischen Dialog mit vorhandenen Werken. Damit scheiden pure Übernahmen fremder Leistungen aus dem Schutzbereich der Kunstfreiheit von vornherein aus, wenn sich das Sampling etwa auf die schlichte Nutzung des musikalischen Gerüsts der Aufnahme beschränkt. Bei der Abwägung der Kunstfreiheit mit den Interessen des Tonträgerherstellers stellt das Bundesverfassungsgericht  auf den künstlerischen und zeitlichen Abstand zum Ausgangswerk, die Signifikanz der Musiksequenz, die Bedeutung des Ausgangswerks und  die „wirtschaftliche Bedeutung des Schadens für den Urheber des Ausgangswerks“ ab.

Dieses letzte Kriterium trägt im Wesentlichen die Entscheidung  des Gerichts. Dies ist aber hoch problematisch, weil es grundsätzlich im Immaterialgüterrecht nicht darauf ankommt, dass der Rechtsinhaber durch die unerlaubte Nutzung des Schutzgegenstands eine konkrete Vermögenseinbuße erleidet (so noch der BGH in der vorausgehenden Entscheidung „Metall auf Metall I“). Wenn sich diese Auffassung weiter durchsetzen sollte, hätte dies eine gravierende Schwächung der Rechte am geistigen Eigentum zur Folge.

Aber: trotz mehrerer 100.000 Verkäufe keine Vergütung?

Es überrascht auch, dass das BVerfG den Verlust der Einnahmen aus Sampling-Lizenzen als Schaden für unbeachtlich hält. Schließlich gehört die Abschöpfung des Verletzergewinns zu den üblichen Berechnungsmethoden des Schadens. So bleibt es im Ergebnis unbefriedigend, dass in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall die unter Einsatz einer fremden Musiksequenz erstellte Musikaufnahme mehrere hunderttausendmal verkauft wurde, ohne dass der Hersteller der als Sample übernommenen Aufnahme daran beteiligt wäre. Möglicherweise wird sich der Europäische Gerichtshof noch mit dieser Frage beschäftigen müssen.

Von: Clemens Rasch

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