19.11.2014

Kein Anspruch auf Berichtigung nach zulässiger Verdachtsberichterstattung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einem Betroffenen gegen den „Spiegel“ nur einen Anspruch auf einen „Nachtrag“ zu einem Bericht zugebilligt. Falle nach einer ursprünglich zulässigen Verdachtsberichterstattung der Verdacht später weg, müsse ein Verlag sich nicht nachträglich „selbst ins Unrecht setzen“ (BGH, Urteil vom 18.11.2014, Az.: VI ZR 76/14).

Der „Spiegel“ berichtete im August 2010 unter dem Titel „Angst und Verfolgungswahn“ über den Verdacht, dass der ehemalige Sicherheitsberater einer großen Bank dabei mitgewirkt habe, ein Vorstandsmitglied dieser Bank zu bespitzeln. Das Vorstandsmitglied wurde wegen des Verdachts von Pflichtverletzungen entlassen. Laut dem Bericht im „Spiegel“ ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Sicherheitsberater wegen des Verdachts, das Büro des ehemaligen Vorstandsmitglieds verwanzt zu haben, dessen Privatwohnung durchsucht und beim Frisieren von Dokumenten mitgeholfen zu haben. In diesem Zusammenhang gibt der Beitrag Aussagen des früheren Sicherheitsberaters wieder, wonach der Chefjustitiar der Bank und zwei weitere Personen ihn mit der Bespitzelung des Vorstandsmitglieds beauftragt haben sollen. Kurz vor der Veröffentlichung des Beitrags rückte der ehemalige Sicherheitsberater von diesen Aussagen ab. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde 2012 gem. § 170 II StPO eingestellt.

Der Chefjustitiar der Bank ging gerichtlich gegen den „Spiegel“ vor und verlangte eine Berichtigung. In erster und zweiter Instanz gewann er vor dem Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) Hamburg weitgehend.

Das OLG Hamburg sprach dem Kläger einen Anspruch auf Richtigstellung zu, denn der gegen ihn geäußerte Verdacht sei schwerwiegend und ehrabschneidend, und sein Ruf werde dadurch weiter beeinträchtigt (Urteil 7 U 44/12). Dabei komme es nicht darauf an, ob das Nachrichtenmagazin ursprünglich in zulässiger Weise über den Verdacht gegen den Kläger berichtet habe. Es reiche aus, dass der Störungszustand als rechtswidrig fortdauere. Die Verdachtsberichterstattung sei aber auch schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unzulässig gewesen, weil das Magazin eine angeblich beteiligte Person vorher nicht angehört habe.

BGH: Hier kein Anspruch auf Richtigstellung, sondern nur auf „Nachtrag“

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen. Er hat festgehalten, dass nach einer ursprünglich zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht die Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung, sondern nur die nachträgliche Mitteilung („Nachtrag“) verlangt werden kann, dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde (Pressemitteilung zum noch nicht veröffentlichten Urteil VI ZR 76/14 vom 18.11.2014).

Anders als das Oberlandesgericht bewertet der BGH die Verdachtsberichterstattung des Magazins als zulässig. Das Magazin habe einen hinreichenden „Mindeststandard an Beweistatsachen“ eingehalten, und dafür seien die von den Autoren angehörten Personen ausreichend gewesen.

Grundsätzlich komme zwar auch nach einer zulässigen Verdachtsberichterstattung ein Berichtigungsanspruch in Frage, wenn der Tatverdacht später ausgeräumt werde und die Rufbeeinträchtigung fortwirke. Hier ergebe aber eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Grundrecht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit, dass das Presseorgan nicht verpflichtet werden könne, sich nach einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung „selbst ins Unrecht zu setzen“.

Von: Rechtsanwalt Martin Bolm

Ansprechpartner

zu diesem Thema

Keine Ansprechpartner gefunden.

News filtern

Thema:

› Alle News anzeigen

News

19.10.2020

OLG Köln bestätigt Unterlassungsansprüche gegen Cloudflare

› Gesamten Artikel lesen

22.05.2019

Creative-Commons-Foto-Abmahnung: Rasch Rechtsanwälte setzen erfolgreich Gegenansprüche durch

› Gesamten Artikel lesen

09.05.2019

Amazon haftet für unlizenzierte Produktfotos

› Gesamten Artikel lesen

Google+