03.05.2016

BGH – Verlage gehen bei der VG-Wort-Ausschüttung künftig leer aus

Seit ihrer Gründung im Jahre 1958 verwaltet die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) die Tantiemen aus Zweitverwertungsrechten an Sprachwerken. Bisher beteiligte sie sowohl Autoren als auch Verlage nach unterschiedlich festgelegten Verteilungsschlüsseln an ihren Einnahmen, die sie z.B. bei Copyshops, Bibliotheken oder Geräteherstellern für ihre Mitglieder einzog. Der Bundesgerichthof (BGH) hat diese Praxis in seinem Urteil vom 21.04.2016 (I ZR 198/13 - Verlegeranteil) nun für unrechtmäßig erklärt.

Der Kläger ist Autor wissenschaftlicher Werke. Mit seiner Klage hat er sich dagegen gewandt, dass die VG Wort die Verleger und bestimmte Urheberorganisationen (z.B. Gewerkschaften wie z.B. Deutscher Journalistenverband und Verdi) nach einem festgelegten Verteilungsplan an den Einnahmen beteiligt, die laut Urheberrechtsgesetz (UrhG) originär nur den Urhebern zustehen. Diese Einnahmen resultieren aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen, die als Kompensation für Privatkopien nach § 54 UrhG gedacht sind (sog. Privatkopie- bzw. Reprographievergütung). Der Kläger argumentierte, den Verlegern stünden nach dem UrhG keine eigenen Rechte oder Vergütungsansprüche zu. Deshalb werde sein Anteil an diesen Einnahmen zu Unrecht geschmälert.

Mit dieser Argumentation machte der Kläger auf eine seit Langem bekannte Gesetzeslücke im UrhG aufmerksam: Während der Gesetzgeber bestimmte Werkmittler wie Tonträger-, Filmhersteller, Sendeunternehmen oder jüngst Presseverleger aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungserbringung mit eigenen Leistungsschutzrechten ausstattet, fehlt den Verlagen bis heute eine entsprechende gesetzliche Verankerung - sowohl im nationalen als auch nach europäischem Recht.

In Deutschland hat sich ein Jahrzehnte währendes System etabliert, bei dem die Verlage - neben den Autoren - als Mitglieder der VG Wort per Satzung an den besagten Einnahmen wirtschaftlich beteiligt waren. Bislang wurden die Einnahmen bei wissenschaftlichen Werken hälftig zwischen Autoren und Verlagen geteilt, für belletristische Texte bekamen die Autoren 70, die Verlage 30 Prozent. Nicht nur für die Autoren waren die jährlichen Ausschüttungen der VG Wort eine wichtige Nebeneinnahme. Für viele Verleger waren sie ein fest einkalkulierter Teil der chronisch prekären Verlagsfinanzierung, insb. infolge der Digitalisierung des Marktes.

Gleichzeitig muss auch gesehen werden, dass die Vereinsgründung der VG Wort im Jahre 1958 samt ihrer Satzung noch vor mehreren Novellierungen des UrhG erfolgte, so z.B. noch vor der Einführung der gesetzlichen Vergütungsansprüche der Urheber oder dem Verbot der Vorausabtretung nach § 63a UrhG, und die Ausschüttungspraxis somit im Hinblick auf die Verleger den zahlreichen Gesetzesänderungen nicht ausreichend angepasst wurde.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht München folgten der Argumentation des Klägers. Jetzt gibt auch der BGH dem Kläger größtenteils recht (Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 198/13 – Verlegeranteil, PM 75/2016): Die Verteilungspraxis der VG Wort sei mit dem Leistungsprinzip unvereinbar. Allein der Umstand, dass die verlegerische Leistung es der VG Wort erst ermöglicht, Einnahmen aus der Verwertung der verlegten Werke der Autoren zu erzielen, rechtfertige es nicht, einen Teil dieser Einnahmen den Verlegern auszuzahlen. Auch wenn in der bisher veröffentlichten Pressemitteilung ein konkreter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fehlt, so wird sich in den Entscheidungsgründen mit Sicherheit die Unvereinbarkeit der Ausschüttungspraxis der VG Wort mit der Europäischen Richtlinie über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc RiLi 2001/29/EG) zentral wiederfinden. Nicht umsonst hatte der BGH zwischenzeitlich die Verhandlungen bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt.

Der EuGH hatte am 12. November 2015 (Hewlett-Packard ./. Reprobel, Az.: C‑572/13) entschieden, dass die gesetzliche Regelung in Belgien, die eine hälftige Teilung der Einnahmen der dortigen Verwertungsgesellschaft Reprobel zwischen Urhebern und Verlegern vorsieht, gegen die InfoSoc-Richtlinie verstößt. Da die Verleger keine originären Inhaber des in Art. 2 der InfoSoc-RiLi 2001/29/EG genannten Vervielfältigungsrechts seien, stehe ihnen auch kein Anteil an dem durch Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie den Urhebern gewährten „gerechten Ausgleich" für die Einschränkung ihres Vervielfältigungsrechts (sog. Reprographievergütung) zu. In den Gründen heißt es (Punkt 2):

„Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 stehen nationalen Rechtsvorschriften wie denen, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegen, die es dem Mitgliedstaat gestatten, einen Teil des den Rechtsinhabern zustehenden gerechten Ausgleichs den Verlegern der von den Urhebern geschaffenen Werke zu gewähren, ohne dass die Verleger verpflichtet sind, die Urheber auch nur indirekt in den Genuss des ihnen vorenthaltenen Teils des Ausgleichs kommen zu lassen.“

Die o.g. Urheberrechtsorganisationen durften nach Ansicht des BGH hingegen an den Ausschüttungen der VG Wort beteiligt werden, „soweit die Autoren diesen Organisationen ihre bereits entstandenen gesetzlichen Vergütungsansprüche abgetreten hatten“.

Den Verlagen drohen nun Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe nicht nur an die VG Wort, sondern auch VG Bild-Kunst, GEMA und VG Musikedition. Doch auch die seit kurzem mit Leistungsschutzrechten bedachten Presseverleger sollten nach der Entscheidung des EuGH aufhorchen, die auf Art. 2 der InfoSoc-RiLi 2001/29/EG Bezug nimmt, in der sie sich gerade nicht wiederfinden. Dort wird bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:

a)      für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,

b)      für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen,

c)      für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,

d)      für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme,

e)      für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“

Von: RAin Anna Jacobson

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