10.07.2015

LG München: zur tatsächlichen Vermutung und Lizenzschadenshöhe

Das Landgericht München hat mit Urteil vom 1.7.2015 (Az.: 37 O 5394/14) in einem Fall der widerrechtlichen öffentlichen Zugänglichmachung eines Musikalbums innerhalb eines Filesharingsystems eine bei vielen Gerichten noch bestehende dogmatische Unsicherheit ausgeräumt.

Danach sind die Tatsachen, die ein (beklagter) Anschlussinhaber zur Erschütterung der tatsächlichen Vermutung seiner Täterschaft behauptet, von diesem auch zu beweisen. Ferner erachtet das LG München nach den umfassend von der Klägerin vorgetragenen Schadensschätzungsgrundlagen einen Lizenzschaden bei einem in der Verwertungsphase betroffenen Musikalbum in Höhe von € 2.500,00 für angemessen.

Das LG München begründet ausführlich anhand der dazu schon bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 12.5.2010 Az.: I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens, Urteil vom 15.11.2012 Az.: I ZR 74/12 – Morpheus, Urteil vom 8.1.2014 Az.: I ZR 169/12 – Bearshare) die Zweigliedrigkeit der Beweiserleichterungsmittel in Filesharingfällen. Danach bestehen die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers und die ihn treffende (sekundäre) Darlegungslast nach der Rechtsprechung des BGH nebeneinander. Wie bereits das OLG Köln (OLG Köln GRUR-RR 2014, 281 – Walk This Way; OLG Köln GRUR-RR 2012, 329) und das LG Stuttgart (LG Stuttgart Urteil vom 21.4.2015 Az.: 17 O 329/14) erkannte, geht nun auch das Landgericht München davon aus, dass es Sache des Anschlussinhabers ist, die Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs, nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses ergibt. Daneben besteht – wenn die tatsächliche Vermutung nicht greift bzw. erschüttert ist – eine sekundäre Darlegungslast. (Nur) die im Rahmen derselben vorgetragenen Tatsachen – die jedoch der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO unterliegen – sind nicht zu beweisen (vgl. BGH a.a.O. – Bearshare).

Hinsichtlich der Höhe des Lizenzschadens stellt das LG München zutreffend auf die (unbestrittenen) Anknüpfungstatsachen zur Schadensschätzung ab, die die Klägerin umfassend vorgetragen hat sowie auf die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof erst kürzlich in der Pressemitteilung vom 11.5.2015 zu den Urteilen desselben Tages (BGH Az.: I ZR 7/14; I ZR 19/14; I ZR 75/14 – Tauschbörse I, II und III; die vollständigen Gründe sind bislang nicht bekannt) mitgeteilt, dass vom Berufungsgericht ein Lizenzschaden in Höhe von jeweils € 200,00 für einen Musiktitel (hochgeladen innerhalb einer „Tauschbörse“) rechtsfehlerfrei festgestellt worden sei. Dass der Lizenzschaden mit € 2.500,00 für 11 Titel dennoch angemessen sei (rechnerisch € 300,00 mehr als nach den BGH-Feststellungen), begründet das LG München mit der Tatsache, dass das Album und insbesondere eine Singleauskopplung besonders erfolgreich gewesen waren und die Rechtsverletzung in der entscheidenden Verwertungsphase stattgefunden hatte.

Schließlich ist noch zu bemerken, dass das LG München einen Streitwert für den Herausgabeanspruch gem. §§ 985, 952 BGB an einem Original einer Unterlassungserklärung in Höhe von € 5.001,00 bemessen hat. Dabei sei u.a. zu berücksichtigen, dass – nach unerfülltem Herausgabeverlangen des Originals einer Unterlassungserklärung – Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit der lediglich als Telefaxkopie abgegebenen Unterlassungserklärung bestünden und damit die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt wäre (vgl. auch: BGH GRUR 1990, 530).

Von: Rechtsanwalt Werner Jansen, Rechtsanwalt Clemens Rasch

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