03.08.2016

Bezeichnung als "Spanner": Meinung oder Tatsache?

Mit dieser Frage musste sich jüngst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschäftigen und gab der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers mit heute veröffentlichtem Beschluss (Az. 1 BvR 2732/15) statt: die Bezeichnung als "Spanner" sei vom Grundrecht der Meinungsfreiheit erfasst und damit nicht per se rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer hatte sich auf Facebook über das Verhalten eines Polizeibeamten beschwert, der ihn bereits mehrfach anlasslos kontrolliert hatte. Dass der Polizist auch in der Straße des Beschwerdeführers Streife fuhr, brachte das Fass schließlich zum überlaufen: der Beschwerdeführer bemerkte den Polizeiwagen, als er beim Wenden in der Einfahrt gegenüber sein Haus anleuchtete, und stellte im Anschluss folgenden Post online:

"Da hat der [Name des Polizeibeamten] nix besseres zu tun, als [...] in irgendwelchen Einfahrten mit Auf- und Abblendlicht zu stehen und in die gegenüberliegenden Häuser in den Hausplatz leuchten!!! Der [Vorname ] Spanner [Nachname]."

Der Polizeibeamte stellte Strafantrag wegen dieser Äußerung und der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht Sonneberg wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe in Höhe von insgesamt 500,00 EUR verurteilt. Zu Unrecht, wie das BVerfG nunmehr entschieden hat. So komme eine Verurteilung wegen übler Nachrede gemäß § 186 Strafgesetzbuch (StGB) nur dann in Betracht, wenn es sich bei der Äußerung um eine Tatsachenbehauptung handelt, was nach der vorzunehmenden Gesamtschau indes nicht der Fall sei: die Bezeichnung als "Spanner" sei vorliegend eine Bewertung des beobachteten, die dem Beweis nicht zugänglich sei und damit eine Meinung. Eine Deutung der Äußerung dergestalt, dass es dem Polizeibeamten darum gegangen sei, Befriedigung als Zuschauer sexueller Handlungen anderer zu erfahren, liege angesichts des Gesamtkontextes nicht nahe. 

BVerfG: die fehlerhafte Annahme einer Tatsachenbehauptung verkürzt den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit

Das BVerfG hat das Urteil des Amtsgerichts daher mit Beschluss vom 29.06.2016 aufgehoben. Es stellt erneut klar, dass die falsche Einordung der Äußerung als Tatsache den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit verkürze (vgl. hierzu auch den Beschluss vom 29.06.2016 zum Az. 1 BvR 2646/15, über den wir ebenfalls berichten), was jedoch nicht bedeute, dass die Bezeichnung des Polizeibeamten als "Spanner" im Ergebnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Mit dieser Frage wird sich nun das Amtsgericht Sonneberg beschäftigen müssen, wobei eine Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Polizisten mit der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers stattzufinden hat.  

Link zur Pressemitteilung:

 

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/bvg16-049.html

 

Von: Rechtsanwältin Katharina Voigtland, LL.M.

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